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Postmortalitätsvorstellungen in Hinduismus und Buddhismus

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von Johannes Ehlers und Helena Herbst

Da der Buddhismus aus dem Hinduismus hervorgegangen ist, lassen sich diese zwei großen asiatischen Religionen besonders gut miteinander vergleichen. Zwar bleiben viele Begrifflichkeiten des Hinduismus im Buddhismus erhalten, jedoch grenzt sich gerade in grundsätzlichen Fragen der Buddhismus teils deutlich von den Lehren des Hinduismus ab. Natürlich auch bei einem so zentralen Thema wie dem Tod. Spricht man allgemein vom Buddhismus, so muss man zumindest drei große Ausrichtungen unterscheiden: Theravada, Mahayana und der tibetische Vajrayana – Buddhismus. Auch der Hinduismus ist keine einheitliche Religion, es gibt verschiedene Strömungen und Schulen, daher ist kein allgemeingültiger Kanon in Bezug auf das Leben und den Tod und dem, was danach passiert, festzulegen. Dennoch gehen wohl alle Strömungen davon aus, dass das Leben ein Kreislauf von Wiedergeburten, Reinkarnationen (samsara) ist:

Nach dem Tod, also dem Dahinscheiden der körperlichen Hülle, reinkarniert sich der atman, die unveränderliche Seele des Gläubigen in einem neuen Lebewesen. Die neue Existenzform hängt davon ab, wie viel gutes oder schlechtes Karma im vorherigen Leben angesammelt worden ist: Es gilt also: Gute Taten führen zu einer besseren Existenz im nächsten Leben; schlechte Taten zu einer schlechteren. Wie Hindus sich verhalten müssen, um gutes Karma zu erlangen, hängt von der jeweiligen Kaste ab, in die sie hineingeboren wurden. Für jede Kaste gibt es Richtlinien und Gesetze, die das Verhalten der Mitglieder vorschreiben.

Ziel eines jeden Hindu ist es, letztendlich aus dem samsara, das Gier, Hass, Verblendung und Unwissenheit beinhaltet, auszubrechen und Eins zu werden mit der göttlichen Kraft, dem brahman (brahman – atman Lehre). Dieses Ausbrechen und Einswerden wird als moksha bezeichnet.

Der Tod ist ein zentrales Thema auch im Buddhismus. Die erste der vier „Edlen Wahrheiten“, in denen Buddha seine Lehre zusammengefasst hat, besagt, dass das Leben Leiden (dukha) ist. Weil alles was auf dieser Welt existiert vergänglich, d.h. „nicht-beständig“ (anitya) ist, ist es auch der Mensch. Eine (Wieder-)geburt hat automatisch einen Wandel zur Folge: jeder Mensch wird zwangsläufig alt, krank und wird letztlich sterben. Das meint Buddha damit wenn er sagt, das Leben ist Leiden. Mit der Wiedergeburt beginnt dieser Wandel erneut. Logischerweise ergibt sich so als höchstes Gut das Ausbrechen aus dem samsara, dem Kreislauf der Wiedergeburt und des Todes, genau wie im Hinduismus. Kann das samsara überwunden werden, erlangt man die Erleuchtung und geht in das Nirvana ein. Gutes wie schlechtes Karma, das auch im Buddhismus die Art der Wiedergeburt bestimmt, wird jedoch anders erlangt. Für gutes Karma ist vor Allem die gute Absicht einer Tat maßgeblich, und nicht das korrekte Verhalten entsprechend den Maßstäben einer Kaste. Der gewichtigste Unterschied zur Lehre des Hinduismus ist jedoch die Vorstellung, dass es kein atman, also keine unveränderliche Seele gibt, die ewig wiedergeboren wird. Buddhisten sprechen hier vom „Entstehen in Abhängigkeit“.

 

Brahman – atman Lehre vs. Anatman – Lehre

 „Ich bin Brahman, das höchste Wesen; Brahman bin ich, die höchste Stätte:“ wer mit dieser Gewissheit seine Seele in der unteilbaren Weltseele aufgehen lässt […] und dann dahinfährt, seinen Leib verlassend, der gewinnt das höchste Glück (die Erlösung).“ (Pretakalpa XVI in Malinar 86)

Brahman ist das allgemeine Weltprinzip der Schöpfung, also die Weltenseele und umfasst alles; also auch Raum und Zeit und Gut und Böse.

Atman ist die Individualseele, das wahre Selbst des Menschen, das bei allen Veränderungen der Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle unveränderlich ist. Atman ist der im Menschen verborgen ruhende göttliche Urgrund.

Wichtig ist die Erkenntnis (moksha), dass brahman und atman eins sind: Das Weltall ist brahman und brahman ist der atman im Menschen.

Der Buddhismus grenzt sich bewusst von der hinduistischen Brahman – atman Lehre ab und formuliert seine eigene anatman – Lehre („nicht-atman“). Für den Menschen gibt es fünf Daseinsfaktoren, deren Zusammenspiel ihn ausmachen: Körper, Empfindungen, Wahrnehmungen, Triebe und Bewusstsein. „Unter diesen Elementen figuriert keine Seele, auch kein Selbst und kein Ich. Der Buddhismus erkennt also keine konstante, sich im Raum und Zeit durchhaltende Identität der Person an.“ (Kraewsky) Im Tod lösen sich diese Daseinsfaktoren auf und werden dann auf Grund des angesammelten Karma wieder zusammengesetzt. Der neu geborene Mensch ist dabei nicht identisch mit dem zuvor Verstorbenen, aber auch nicht völlig verschieden von ihm. Er ist entstanden in Abhängigkeit, d.h. in Abhängigkeit des im vorherigen Leben angesammelten Karma.

Das Karma

Nach Michaels bedeutet das Wort Karma gleichzeitig „Tat“ und „Opfer“ und meint die  „Auswirkung einer Handlung, die in einem anderen Leben begangen wurde“. (Vgl.: Siebert 98) Anders als im Buddhismus, bei dem bereits die Intention einer Tat ausschlaggebend für „gutes“ oder „schlechtes“ Karma ist, ist im Hinduismus also nur die Auswirkung einer Handlung maßgeblich.

Wie sich ein Hindu zu verhalten hat, hängt von seiner Zugehörigkeit seiner Kaste ab; die Kaste gibt bestimmte Regeln und Verhaltensvorgaben vor. „Hinter dem Begriff steht [also] ein gesellschaftsstrukturierendes Denksystem, in dem Handlungen bestimmte Wertigkeiten zugeordnet werden, welche die weitere Existenz des Individuums bestimmen“ (Siebert 98) Ob ein Mensch also gut oder schlecht gestellt ist, resultiert dann aus den Taten im letzten Leben.

Der Buddhismus verwendet das Konzept des Karma ebenso. Auch hier bestimmt es in welcher Form man wiedergeboren wird, doch zielt es im Buddhismus eher auf das ethische Handeln ab. Man kann gutes und schlechtes Karma ansammeln, doch wird gutes Karma nicht automatisch durch gute Taten erzeugt. Im Buddhismus ist vor Allem die Absicht maßgeblich, mit der etwas getan wird. „Wenn eine Handlung aus Begehren geschieht, hat sie negative Folgen, auch wenn sie vielleicht äußerlich als >>gute Tat<<  erscheint“ (Freiberger 204). Dies entspricht der buddhistischen Lehre, dass das Leid nicht ursprünglich von äußerlichen Handlungen stammt, sondern aus dem Inneren des Menschen kommt, und von Gier, Hass und Unwissenheit verursacht wird. Das Überwinden dieser „Grundübel“ (Freiberger 204) durch das Befolgen von Buddhas „Achtfachem Pfad“ erzeugt also gutes Karma, was eine bessere Wiedergeburt begünstigt.

Moksha und Nirvana

Moksha ist der Ausbruch aus dem Kreislauf der Wiedergeburten und gleichzeitig der Weg zur Vereinigung mit Gott; nämlich der Erkenntnis, dass Brahman und Atman eins sind: daher ist moksha das höchste Bestreben menschlicher Existenz (Vgl. Siebert 102)

Der Begriff „Nirvana“ ist vielen bekannt, er wird aber besonders im Westen oft missverstanden. Wörtlich bedeutet Nirvana „Verlöschen“, und oft wird das als eine Auslöschung des Ichs oder der Seele verstanden. Auch die Vorstellung das Nirvana sei ein Ort ist ein Missverständnis, vermutlich hervorgerufen durch die Formulierung „ins Nirvana eingehen“. Doch mit dem Eintreten des Nirvana verlöscht „nur“ Gier, Hass und Unwissenheit, der „Antrieb“ des samsara, und somit auch Leid und Wiedergeburt. Im Mahayana – Buddhismus kann Nirvana noch zu Lebzeiten erreicht werden, vollendet wird es aber schließlich mit dem Tod, der damit der letzte Tod ist, der erleidet werden muss. Es wird dann vom Parinirvana gesprochen. Der wesentliche Unterschied zum hinduistischen moksha besteht darin, dass es im Buddhismus kein brahman oder atman gibt. Was genau das Nirvana ist, lässt sich nicht endgültig beschreiben, denn es ist mit menschlichem Denkvermögen nicht zu erfassen. Nur ein paar grundlegende Eigenschaften lassen sich feststellen. So ist das Nirvana grundsätzlich das Gegenteil des samsara, d.h. der sich immer im Wandel befindlichen Welt und der Wiedergeburt. Die Wiedergeburt, und damit der Tod, wird also überwunden, genauso wie alles Leid, dass damit zusammenhängt. Der Erleuchtete hört aber keinesfalls auf zu existieren, er erreicht einen perfekten, absoluten Zustand, der losgelöst und unabhängig von unserer Welt existiert. „Im Buddhismus jedoch wirkt das Unpersönlich-Absolute nicht ein auf die Welt und ihre Verhältnisse. Es steht der Welt gegenüber als deren Gegenteil, als das ganz und gar andere.“ (Greschat 354)

Der Tod

„Wenn seine Todesstunde gekommen ist, soll der Mensch, frei von Furcht, mit dem Schwert des Gleichmutes, die Anhänglichkeit an seinen Leib und an die, welche demselben (beim Leichenbegängnis) folgen (seine Familie), ausrotten“ (Pretakalpa XVI in Malinar 88)

Der Tod ist das bedeutendste Ereignis im Leben eines Hindus; eben weil sich dann entscheidet, welche Existenzform im nächsten Leben erlangt wird, oder ob man dem Kreis der Wiedergeburt entkommen kann: „Für Hindus ist der Tod nicht der Gegensatz des Lebens; er ist eher der Gegensatz der Geburt. Der große Übergang, den der Tod auslöst, geht nicht vom Leben zum Tod, sondern von Leben zu Leben“ (Michaels in Siebert 37)

Der Sterbende sollte zum Zeitpunkt des Todes positive Gedanken haben; nach Möglichkeit zieht er sich zurück, um sein Leben zu reflektieren und um bestimmte Rituale zu Ehren der Gottheiten durchzuführen. Ist der Mensch gestorben, tritt das atman aus dem Körper; übrig bleibt also nur eine „Hülle“.  Diese wird dann einer rituellen Waschung und Salbung unterzogen und wird dann in ein Totentuch gewickelt. In der Regel wird ein verstorbener Hindu verbrannt. Diese Verbrennung findet dann auf einem eigens dafür vorgesehenen Platz statt. Während der Sterbezeit (vorher, währenddessen und hinterher) werden unzählige Riten von den Verwandten vollführt, die mehrere Tage andauern können. Die Asche des Verstorbenen wird dann entweder im Boden vergraben oder in einem Fluß (wenn möglich, im Ganges) verstreut. Einige Zeit nach der Verbrennung kommen Verwandte des Verstorbenen zu einem Gedenkfest zusammen und führen einmal jährlich ein Ahnenritual (sraddha) durch. Hier werden dem Verstorbenen Opfergaben, wie Sesam- und Gerstenwasser dargebracht, die es dem Toten ermöglichen sollen, gutes Karma anzuhäufen. (Vgl. Michaels 149-153)

Der Buddhismus sieht den Tod zunächst ähnlich wie der Hinduismus. Er ist nicht endgültig, sondern ein Übergang zur nächsten Geburt. Im Theravada – Buddhismus hängt die Art und der Ort der Wiedergeburt von dem im Leben erlangten Karma ab. Auf den Tod folgt direkt die erneute Geburt. Mahayana und Vajrayana kennen hingegen noch eine „Zwischenwelt“ zwischen Tod und Wiedergeburt, in der der Verstorbene noch die Möglichkeit hat zusätzlich positives Karma zu erlangen. Die Hinterbliebenen können ebenfalls noch bis zu sieben Tage nach dem Tod durch bestimmte Riten und Rezitationen aus dem Totenbuch die Wiedergeburt des Verstorbenen begünstigen.

Bei buddhistischen Bestattungszeremonien werden von Mönchen Reden des Buddha vorgelesen, und es wird an die Vergänglichkeit des Menschen erinnert. Trauer offen zu zeigen ist jedoch nicht üblich, da Trauer sich negativ auf die Wiedergeburt auswirkt. Die Art der Leichenbestattung ist unterschiedlich, doch am häufigsten sind die Beerdigung in der Fötusstellung und das Verbrennen des Leichnams. In Tibet ist auch eine Luftbestattung möglich, wobei die Überreste von Geiern gefressen werden und so dem Verstorbenen ermöglicht wird in der Luft seinem Körper zu entfliehen.

 

 

 

Quellen:

  • Figl, Johann (Hrsg.). Handbuch Religionswissenschaft: Religionen und ihre zentralen Themen. Innsbruck: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2003.
  • Freiberger, Oliver ; Kleine, Christoph: Buddhismus: Handbuch und kritische Einführung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2011.
  • Malinar, Angelika: Hinduismus. Studium Religionen. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 2009.
  • Michaels, Axel: Der Hinduismus. Geschichte und Gegenwart. München: Beck, 1998.
  • Siebert, Sophia: Kaste, Karma, Kremation. Die soziale und kulturelle Dimension des Todes in Nordindien. Marburg: Tectum Verlag, 2011.
  • Tworuschka, Monika und Udo (Hrsg.). Religionen der Welt in Geschichte und Gegenwart. München: Bassermann Verlag, 1992.

 

 


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